Interview

„Das Liebespaar hat gerade Pause“

Über das Muttersein, Überforderung im Wochenbett & wie sich die Beziehung zum Partner verändert

Vor sieben Monaten bin ich Mama geworden. Das Leben hat sich von heute auf morgen schlagartig verändert. Eine intensive Zeit mit Höhen und Tiefen. Mit meiner Freundin und Lieblingskollegin Steffi habe ich die letzte Zeit Revue passieren lassen. Eine Therapiestunde der anderen Art.

Wie fühlst du dich als Mama?

Ich fühle mich momentan richtig gut. Die Nächte sind wieder länger, ich habe mich in meiner neuen Rolle eingefunden und bin auch entspannter geworden. Anfangs war ich so übervorsichtig. Typische Helikoptermutter. Sowas stresst natürlich enorm. Ich sehe jetzt alles etwas lockerer. So bin ich viel ausgeglichener.  

„Wie soll man das alles schaffen?“

Würdest du sagen, dass du heute die Mutter bist, die du sein wolltest?

Ja und nein. Nein, weil ich nie diese gestresste Mutter werden wollte, die für alles andere keine Zeit mehr hat. Leider war ich genau das in den letzten Monaten. Oftmals sehr gestresst und zum Teil auch überfordert mit der Gesamtsituation: Kind, Haushalt, Arbeit und dann auch noch die sozialen Kontakte aufrechterhalten. „Wie soll man das alles schaffen?“, habe ich mich oft gefragt. Doch irgendwie schafft man das. Und ja, weil ich mein Kind bedingungslos liebe. Seine Bedürfnisse stehen an erster Stelle, ohne Frage. Ich bin hingebungsvoll, gehe in der Mutterrolle komplett auf und ich lebe täglich meine Entertainment-Skills aus. Noch findet mich mein Kind sehr witzig. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es so bleibt und er irgendwann gerne und freiwillig Zeit mit mir verbringt. Momentan hat er ja keine Wahl.  

Wenn man Geburtsberichte liest, kommt man um einen Punkt nicht drum herum: der Körper. Wie hat sich die Beziehung zu deinem eigenen Körper verändert?

Ich bin mit meinem Körper im Einklang. Das bedeutet nicht, dass ich total zufrieden bin. Natürlich habe ich auch Stellen am Körper, die jetzt anders aussehen und nicht mehr so straff sind wie vorher. Aber zu sehen, was der weibliche Körper leistet, von der Schwangerschaft, über die Geburt bis hin zum Stillen, ist einfach nur krass. Ich muss sagen, in der Schwangerschaft habe ich mich sehr schön gefühlt. Ich war so gerne schwanger. Meine Haut war makellos, mein Haar voll und glänzend und den Bauch habe ich geliebt. Die ersten Tage nach der Geburt, war ich allerdings von meinem Anblick erschrocken. Der Bauch ist in sich zusammen gefallen, wie ein Luftballon aus dem langsam die Luft schwindet. Ich hatte mir vorher keine Bilder angeschaut oder Gedanken darüber gemacht, wie das wohl aussehen wird und wie es sich anfühlt. Aber ich muss sagen, das hat mich schockiert. Ich fühlte mich so unwohl in meinem Körper. Ich bin wochenlang gebückt gegangen, weil ich auch das Gefühl hatte, meine Organe fallen unten raus. Das war schon heftig. Meine Rückbildung ging aber relativ schnell. Nach ein bis zwei Woche sah mein Bauch schon wieder „normal“ aus.  

Was hat sich konkret bei dir verändert?

Einiges. Die Haut ist wieder schlechter, meine Haare sind mir büschelweise ausgefallen und ich habe locker zwei Körbchengrößen mehr. Okay, es ist nicht alles schlecht. (Haha) Der Bauch könnte straffer sein, was man theoretisch mit Sport ändern könnte, wenn mein innerer Schweinehund nicht so gegen mich wäre. Mein größter Kampf ist jedoch meinen Intimbereich wieder anzunehmen. Das Bild der klaffenden Wunde, welches sich nach der Geburt eingebrannt hat, heißt es zu bekämpfen. Eigentlich totaler Quatsch, weil es super schnell verheilt ist, nicht wehgetan hat und es sieht auch aus wie vorher. Das ist eine rein psychische Angelegenheit. Aber ich bin auf einem guten Weg.

So sah unsere kleine Blase aus. Wir sind in der Unordnung versunken und das war völlig okay.

Wochenbett sind ja zwei Wochen…

Nein, 8 Wochen, idealerweise…

8 Wochen? Und so lange warst du im Bett oder wie kann man sich das vorstellen?

Nein, so lange war ich nicht im Bett. Das hält ja niemand aus, selbst mit Netflix nicht. Kurz erklärt: Das Wochenbett beschreibt die Zeit nach der Geburt. Man spricht von dem frühen Wochenbett – das sind die ersten 10 Tage und das späte Wochenbett geht bis zur 8. Woche. Das ist eine ganz wichtige Zeit, nicht nur für das Bonding mit dem Baby, sondern auch für die Rückbildung. Der Körper hat ganz schön was mitgemacht, der braucht Zeit und Ruhe zum regenerieren. Das predigt jede Hebamme, zurecht.
Ich war die ersten drei Wochen komplett im Bett. Nicht ein einziges Mal auf der Couch. Und nein, mir war nicht einmal langweilig. Ich habe die Zeit sehr genossen. Man muss erstmal begreifen, dass man jetzt ein kleines Baby hat. Manchmal habe ich ihn einfach nur angestarrt und geheult. In der 4. Woche bin ich das erste Mal spazieren gegangen und habe so langsam den Alltag eingeläutet. Nach 8 Wochen war ich das erste Mal arbeiten.

Du hattest von heute auf morgen diese riesige Aufgabe. Ich kenne dich ja, du bist gerne mal für dich, lümmelst auf der Couch rum und bingst die eine oder andere Serie. Das geht alles nicht mehr. Was hat das Muttersein mit dir mental gemacht? Wie fühlt sich diese Veränderung an?

Das ist eine gute Frage. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Anfangs ist es eine Umstellung, aber schon recht schnell die neue Normalität. Ja klar, ich würde auch gerne hin und wieder mal eine Serie bingen oder Sonntags bis 10 Uhr schlafen. Aber das geht aktuell nicht. Und ganz ehrlich: Ich vermisse das nur ganz selten. Mein Tag ist so ausgefüllt, dass ich da nicht drüber nachdenken kann. Bevor mein Sohn geboren wurde, hat mir diese riesige Verantwortung schon etwas Angst gemacht, aber auch das hat sich ganz natürlich gefügt. Ich empfinde das gar nicht als so große Last. Momentan bin ich noch schwer zu entbehren, da ich stille und der Kleine sehr fixiert auf mich ist. Aber sobald sich das etwas entspannt, freue ich mich darauf wieder mehr für mich selbst zu machen. Durch die Pandemie verpasse ich aktuell sowieso nicht viel. Weder im Job, noch privat.

Durch meine Geburtsverletzung war ich so stark in meinen Bewegungen eingeschränkt, dass ich eigentlich eine 24 Stunden Betreuung gebraucht hätte.

Hattest du mal das Gefühl der Überforderung und wenn ja in welcher Situation?

Ohja, schon die ersten Tage im Krankenhaus habe ich mich überfordert gefühlt. Wir hätten gerne ein Familienzimmer in Anspruch genommen, das war auf Grund der Corona-Maßnahmen aber nicht möglich. Die drei Tage im Krankenhaus musste ich allein verbringen. Mein Mann durfte einmal am Tag für zwei Stunden zu Besuch kommen. Das war schon hart. Denn die Schwestern auf Station können den Partner nicht ersetzen. Sie helfen so gut es geht, aber man fühlt sich trotzdem sehr allein. Durch meine Geburtsverletzung war ich so stark in meinen Bewegungen eingeschränkt, dass ich eigentlich eine 24 Stunden Betreuung gebraucht hätte. Du musst auch erst einmal das Geschehene für dich verarbeiten. Schöne Geburt hin oder her – es ist ein krasses Erlebnis. Dann kannst du nicht sitzen oder laufen, du blutest wie verrückt, der Milcheinschuss passiert und die Hormone tun ihr übriges. Du hast schon genug mit dir zu tun und zusätzlich ist da jetzt noch dieses kleine Wesen, für das du ganz allein verantwortlich bist. Da floss schon die ein oder andere Träne. Mittlerweile ist bei uns alles ganz gut eingespielt. Diese krasse Überforderung verspüre ich aktuell nicht so sehr. Aber dieses Gefühl ist immer mal wieder da. Mein Mann und ich wuppen das alles allein, ohne Hilfe. Das ist schon eine Hausnummer. Wir versuchen so oft es geht in die Heimat zu fahren, um dort ein wenig Kraft zu tanken.

Mir ging es mental nicht gut, ich fühlte mich erschöpft und ausgelaugt.

Einer meiner größten Ängste, wäre der Babyblues – hattest du den auch?

Davor hatte ich auch große Angst. Der Baby Blues oder eine Wochenbettdepression ist mir erspart geblieben. Ich hatte stattdessen zweimal einen Milchstau. Den ersten nach drei Wochen. Es hatte sich eine Kapsel mit Flüssigkeit gebildet, bei der man nicht genau sagen konnte, ob es „nur“ eine Kapsel mit Flüssigkeit ist oder doch etwas bösartiges. Ich musste zur Kontrolle ins Brustzentrum, dort wurde meine Brust mehrmals punktiert. Dabei wird der Inhalt mit einer Spritze abgesaugt. Das ist ziemlich beängstigend, tut aber nicht weh, da die Brust vorher betäubt wird. Der zweite Milchstau kam einige Monate später. Wahrscheinlich stressbedingt. Der Zweite war viel heftiger als der Erste. Ich lag richtig flach mit Fieber und Schüttelfrost. Beide Male musste ich Antibiotika nehmen, was mich sehr genervt hat. Aber es musste sein. Leider habe ich auf die zweite Antibiotika-Sorte allergisch reagiert und hatte den schlimmsten Ausschlag meines Lebens, von Kopf bis Fuß – ich war eine einzige rote Quaddel. Zu dieser Zeit hatte ich sehr zu kämpfen. Mir ging es mental nicht gut, ich fühlte mich erschöpft und ausgelaugt. Wir sind dann vier Wochen in die Heimat gefahren, um die Hilfe der Familie anzunehmen. Das hat sehr geholfen und ich konnte mich erholen.

Hattest du mal diesen Gedanken: Was wäre, wenn ich jetzt einfach abhauen würde?

Ich hatte tatsächlich so einen ähnlichen Gedanken. Als ich das erste Mal allein in die Drogerie gefahren bin. Ich stand an der roten Ampel und habe mir vorgestellt, was wohl wäre, wenn ich jetzt nicht mehr nach Hause käme. Das war eine ganz schlimme Vorstellung. Ich bin dann extra langsam gefahren, weil ich Angst hatte einen Unfall zu bauen.

Wie gehst du mit ungefragten Tipps anderer Mütter um?

Es kommt immer drauf an. Manchmal bin ich für Tipps total dankbar, aber manchmal nervt es auch, weil es oftmals verunsichert. In vielen Punkten muss man seine eigenen Erfahrungen machen. Wenn ich was wissen möchte frage ich. Das mache ich auch oft. Ich tausche mich gerne mit anderen Mamas aus, so lernt man ja auch dazu. Ehrlicherweise muss ich aber auch selber aufpassen, dass ich keine ungefragten Tipps gebe. Manchmal passiert das ganz automatisch.

Mein altes Leben ist mir langweilig geworden.

Was mich sehr interessiert: wie hat sich die Beziehung zu deinem Mann verändert?

Die Beziehung zu meinem Mann hat sich schon etwas verändert. Aber das ist auch irgendwie klar. Wir waren vorher fast 14 Jahren für uns und jetzt steht unser Kind im Vordergrund. Das Liebespaar hat gerade Pause. Das ist für uns beide aber völlig okay. Alles hat seine Zeit. Wichtig ist es, dass man darüber redet und seine Gefühle offenbart damit sich nichts anstaut. Wir würden aber beide sagen, dass sich unsere Lebensveränderung sehr positiv und unheimlich bereichernd anfühlt. Mein altes Leben ist mir, ehrlich gesagt, auch etwas langweilig geworden. Ich habe mich so sehr nach dem nächsten Schritt gesehnt, nach einem Leben mit Kindern. Wir haben jetzt einen festen Tagesablauf und eine Struktur. Das finde ich unheimlich schön. Es hat meine Erwartungen sogar übertroffen. Dieser kleine Schatz macht so viel Spaß, auch wenn es manchmal ziemlich anstrengend ist. Aber zu sehen, wie er sich weiterentwickelt und ständig etwas Neues lernt, macht uns unendlich stolz und lässt uns als Paar auf einer ganz anderen Ebene zusammenwachsen. Wir vermissen unser altes Leben so gut wie nie. Außerdem vergeht die Zeit so schnell, dass es mir teilweise Angst macht. Wir werden schon bald wieder mehr Zeit für uns haben.


Danke liebe Steffi, für dieses Gespräch. Es tut manchmal sehr gut, die Dinge für sich einzuordnen – zu reflektieren und sich darüber bewusst werden wie man sich selber fühlt. Im täglichen Wahnsinn kommt das oft zu kurz.

Schreibt mir eure Gedanken gerne in die Kommentare, ich würde mich sehr freuen.

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2 Kommentare

  • Reply Simon Februar 27, 2021 at 3:45 pm

    Gleich mal mit meiner Partnerin geteilt. Tolle, spannende und vor alle ehrliche Einblicke. Viel gelernt… Merci!

    • Reply julia Februar 27, 2021 at 7:03 pm

      Lieber Simon,

      vielen Dank für dein Kommentar. Das freut mich sehr. 🙂

      xx Julia

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