Interview mit der Hebamme Christiane Hammerl
Die Hebamme – Für werdende Eltern und vor allem für die werdende Mutter eine so wichtige Figur in der wohl aufregendsten Phase des Lebens. Sie begleitet, berät und steht immer mit Rat und Tat zur Seite. Doch was tun, wenn alle Hebammen ausgelastet sind und man als Eltern auf sich allein gestellt ist? Diese Frage und noch viele weitere habe ich meiner Hebamme Christiane Hammerl im Interview gestellt.
Christiane, erst einmal vorweg: Welche Arbeitsmodelle gibt es bei Hebammen?
Hebammen können freiberuflich oder angestellt arbeiten, dann zum Beispiel im Kreißsaal. Manche Hebammen kombinieren das auch: haben eine halbe Stelle festangestellt und arbeiten dann zusätzlich noch freiberuflich und bieten die sogenannte Wochenbettbetreuung, die Schwangerschaftsvorsorge oder auch Geburtsvorbereitungskurse und Rückbildungskurse an.
Ich beispielsweise bin eine freiberufliche Beleghebamme und betreue Geburten in der Klinik, aber auch außerklinisch, also zum Beispiel bei den Frauen Zuhause, wenn sie sich für eine Hausgeburt entscheiden. Darüber hinaus übernehme ich natürlich auch die Schwangerschaftsvorsorge und die Wochenbettbetreuung.
Welche Aufgaben deckt sie ab? Und werden diese von den Krankenkassen übernommen?
Hebammen können Frauen ab dem positiven Schwangerschaftstest betreuen, also auch wenn es dann
um eine Fehlgeburt geht kann die Hebamme während der Fehlgeburt unterstützen und begleiten oder auch danach nochmal beratend tätig sein. Hebammen können darüber hinaus verschiedene Kurse anbieten. Zum Beispiel: Geburtsvorbereitungskurs, Schwangerschaftsyoga, Babymassage oder einen Rückbildungskurs. Die Wochenbettbetreuung ist natürlich ein sehr wichtiger Punkt, sowie die Stillberatung. Diese kann in Anspruch genommen werden, so lange wie die Frau stillt. Und das Herzstück meiner Arbeit ist natürlich die Geburtsbetreuung.
Und ja, diese Aufgaben werden von den Krankenkassen übernommen.
Warum ist die Hebammen-Betreuung so wichtig für die Frau?
Der Faktor Zeit macht es oftmals aus. Ich nehme mir im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen und für die Gespräche mit den Frauen viel Zeit. Zum Frauenarzt geht man für die klassische, medizinische Vorsorge, aber wird im Zuge dessen vielleicht nicht so sehr beraten, weil den Frauenärzten da sicherlich auch die Kapazität fehlt. Mir ist es wichtig die Frauen auch beim Thema Ernährung zu beraten oder wenn die Frau bestimmte Beschwerden hat, wie zum Beispiel Sodbrennen oder unter Wadenkrämpfen leidet. Dann stehe ich mit Rat und Tat zur Seite.
Wann sollte ich mit der Hebammensuche starten? Und warum?
Umso früher desto besser. Damit man einfach auf der sicheren Seite ist und eine Hebamme hat, die einen regelmäßig in der Schwangerschaft sieht und betreut, vielleicht auch im Wechsel mit dem Frauenarzt die Vorsorgeuntersuchungen macht.
Im Schnitt muss ich leider täglich mehreren Frauen absagen.
Wo suche ich am besten?
Ich finde es immer ganz gut im Freundeskreis nachzufragen, ob jemand eine Empfehlung hat. Manche Hebammen arbeiten in Arztpraxen, also auch dort kann man fündig werden und ansonsten ist natürlich das Internet sehr hilfreich. Wie zum Beispiel die Seite Hebammensuche.de, dort kann man schauen, welche Hebammen es in meiner Nähe gibt.
Aber auch die Sozialen Medien können helfen. Facebook hat beispielsweise eine Gruppe, die heißt „Hebammenvermittlung Berlin“ – wenn man kurzfristig eine Hebamme sucht, kann man dort eine Anfrage reinstellen und da melden sich auf jeden Fall freie Hebammen zurück. Ich werde tatsächlich auch öfter über Instagram angeschrieben, also auch das ist mittlerweile ein guter Weg. Ansonsten gibt es noch die neue Suchmaschine „Ammely“ vom deutschen Hebammenverband.
Was sollte ich mir im Vorfeld überlegen?
Es macht Sinn sich im Vorfeld zu überlegen: „Wo will ich mein Baby eigentlich kriegen?“ Möchte ich klassisch ins Krankenhaus gehen, dann wäre es ganz schön eine Hebamme zu haben, die die Vorsorgeuntersuchen in der Schwangerschaft macht und die Frau im Wochenbett Zuhause besucht. Hier kann die Hebamme in den ersten 10 Lebenstagen des Kindes täglich vorbeischauen, wenn es starke Probleme gibt sogar zweimal täglich und insgesamt kann sie bis zum 3. Lebensmonat, beziehungsweise bis zum Ende der Stillzeit, die Familie Zuhause besuchen.
Gerade als Erstgebärende weiß man manchmal auch gar nicht, welche Möglichkeiten es gibt. Und da macht es natürlich Sinn sich einfach mal von einer Hebamme beraten zu lassen und die verschiedenen Möglichkeiten kennenzulernen.
Woher weiß ich, dass die Hebamme zu mir passt?
Nachdem die Frauen eine Anfrage gestellt haben, telefoniert man miteinander. In diesem Gespräch kann man eigentlich relativ schnell feststellen ob die Chemie stimmt. Danach trifft man sich zum Erstgespräch. Dort kann man sich kennenlernen und der Hebamme Fragen zu ihrer Arbeit stellen und schauen ob es zur eigenen Vorstellung passt. Ich finde es auch ganz wichtig, dass wenn man nach so einem ersten Gespräch merkt, dass die Chemie überhaupt nicht stimmt, sollte man das ehrlich ansprechen und dann findet man ganz bestimmt gemeinsam eine gute Lösung.
Wie sieht die aktuelle „Hebammen-Situation“ in Deutschland aus? Wie schätzt du es ein?
Ich kann die deutschlandweite Situation schlecht einschätzen, aber grundsätzlich ist gerade schon ein Mangel da. Die Bezahlung ist zum einen nicht so wahnsinnig attraktiv und deshalb könnte ich mir vorstellen, dass das ein Punkt ist, warum sich viele, junge Frauen gegen die Ausbildung zur Hebamme entscheiden. Dazu muss man auch sagen, dass der Hebammen-Beruf in den Medien eher negativ dargestellt wird. Wenn man jedoch fleißig ist und gut arbeitet kann man auch in diesem Beruf gutes Geld verdienen. Ich kann davon sehr gut leben. Aber ich habe mit meiner 24/7 Rufbereitschaft natürlich auch nochmal eine besondere Situation.
Wie vielen Frauen musst du im Schnitt absagen?
Ich muss leider viel zu vielen Frauen absagen und mir tut das persönlich immer so leid. Ich versuche sie dann trotzdem am Telefon ein bisschen zu beraten, sie zu ermuntern, dass sie nicht aufgeben sollen. Ich empfehle dann Kliniken oder Kolleginnen von mir. Aber im Schnitt muss ich leider täglich mehreren Frauen absagen.
Was tue ich, wenn ich keine Hebamme finde? Was sind die Alternativen?
Man hat ja Gott sei Dank noch seinen Kinderarzt/ärztin. Und ansonsten ist die Familie die Alternative: die Mama, Oma, Tante – dass man sich dort die Unterstützung holt. Es gibt natürlich auch sehr gute Literatur, zum Beispiel das Buch von Kareen Dannhauer „Guter Hoffnung“ oder auch Anja Gaca hat tolle Bücher rausgebracht und betreibt den Blog „Von guten Eltern“. Auch damit kann man sich gut aufstellen. Aber trotzdem immer weiter probieren und auf den Plattformen nachschauen. Vielleicht findet man kurzfristig doch noch eine Hebamme.
Was hältst du von Internet-Portalen, auf denen sich Frauen per Video-Chat von einer Hebamme Hilfe holen können?
Es ist eine ergänzende Hilfe für Schwangere, für Mütter, für Stillende und junge Familien, es ersetzt jedoch nicht die aufsuchende Tätigkeit einer Hebamme, wie die Schwangerschaftsvorsorge oder die Wochenbettbetreuung. Aber klar, es kann eine ergänzende Hilfe für junge Familien sein.
Ich bin ja Mit-Gründerin von „Kinderheldin“ – das ist eine Online-Beratung, wo sich Frauen von Hebammen beraten lassen können, wenn sie zum Beispiel keine Hebamme haben oder ihre eigene Hebamme nicht erreichen können. Kinderheldin berät jeden Tag von 7 – 22 Uhr. Die Beratung sieht so aus: man bucht einen Call oder einen Chat, dann bekommt die Hebamme eine Meldung mit einer Telefonnummer und kann die Frau zurückrufen oder mit ihr chatten, das ist dann ähnlich wie bei WhatsApp. Kinderheldin arbeitet auch mittlerweile mit über 50 gesetzlichen Krankenkassen zusammen, d.h. die Frauen müssten einfach mal bei ihren Kassen nachfragen ob sie das in Anspruch nehmen können. Das hilft tatsächlich vielen Frauen. Bevor man bei Google versinkt, ist es doch ganz gut sich von einer Expertin einen Rat zu holen. Also von daher, können solche Portale eine Hilfe sein.
Vielen Dank liebe Christiane, für dieses tolle und ausführliche Interview!
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