Krankheit, Überforderung & bedingungslose Liebe
Der zweite Geburtstag unseres Sohnes liegt hinter uns. Ich ertappe mich immer häufiger dabei, wie ich Floskeln wie: „Die Zeit rast!“ oder „Sie werden so schnell groß!“ benutze. Ich muss schmunzeln, denn solche Sätze fand ich immer sehr belanglos und klischeebehaftet. Doch mittlerweile verstehe ich die Tiefe solcher Aussagen und in manchen Momenten machen sie mich etwas nachdenklich und traurig. Doch wie habe ich die letzten beiden Jahre als Mama erlebt?
Ich öffne meinen Dokumenten-Ordner auf dem Laptop und der erste Blog-Beitrag, der mir ins Auge sticht, lautet: „Ein Jahr Mamasein“. Mit voller Euphorie und Neugierde, was ich da wohl letztes Jahr niedergeschrieben habe, klicke ich die Datei an und muss enttäuschend feststellen, dass ich ganze zwei Sätze aufs Papier bekommen habe.
„Ich schaue meinen Sohn an und kann es nicht fassen, wie schnell das erste Jahr vergangen ist. Doch im selben Moment fühlen sich die letzten 12 Monate lang an, denn es war wohl die intensivste Zeit unseres Lebens.“
Die Tatsache, dass ich es weder geschafft habe diesen Beitrag fertig zu schreiben, geschweige denn ihn zu veröffentlichen, zeigt wie heftig die letzten beiden Jahre für uns waren.
Alles braucht seine Zeit!
Das erste Jahr als Mama fand ich persönlich ziemlich anstrengend.
So sehr ich diese besondere Zeit genossen und geliebt habe, so sehr hat sie auch an mir gezehrt. Es ist ein Drahtseilakt zwischen sich selbst nicht verlieren und in die Mutterrolle reinwachsen. Sicherlich übt man dabei selbst den größten Druck auf sich aus. Man möchte die beste Mutter sein, die Freunde nicht aus den Augen verlieren, dem Job weiter nachgehen, achja und eine Ehe führt man ja auch noch. Wie zur Hölle soll das alles funktionieren!? Diese Frage habe ich mir oft gestellt und nicht selten unter Tränen. Mittlerweile habe ich eine Antwort darauf:
Alles braucht seine Zeit!
Ich versuche entspannter zu sein und mir nicht permanent Druck zu machen. Wenn ich für ein Mädels-Treffen zu müde bin, dann sage ich es ehrlich. Wenn ich einen Job nicht machen kann, weil meine Familie mich braucht, dann ist das so. Und wenn ich keine Lust habe die Wäsche zu machen, dann bleibt sie halt einfach liegen. Es ist ein Prozess.
Wenn einer der Partner erkrankt, steht die Welt plötzlich Kopf und man funktioniert nur noch.
Neue Lebensumstände können herausfordernd sein. Wir hatten nicht nur die Aufgabe das Eltern-sein anzunhemen, sondern wurden zusätzlich mit dem Thema Krankheit konfrontiert. Es ist schon hart genug zu begreifen, dass man ab sofort eine enorme Verantwortung für einen kleinen Menschen trägt und nicht mehr zu entbehren ist, doch wenn einer der Partner erkrankt, steht die Welt plötzlich Kopf und man funktioniert nur noch. Kurz nach der Geburt unseres Sohnes wurde mein Mann krank. Wir wussten lange nicht, was ihm fehlt. Bis die endgültige Diagnose gestellt und Medikamente eingesetzt wurden vergingen fast zwei Jahre. Monate voller Schmerzen,Wut, Traurigkeit und Erschöpfung. Es gab Phasen, da konnte ich auf die einfache Frage: „Wie geht es dir?“ nicht antworten, weil ich keine Zeit hatte mir darüber Gedanken zu machen. Ich musste schauen, dass es meinem Baby gut geht und dass mein Mann seine Ruhephasen bekommt. Nur so konnte es funktionieren. Jede Familie hat sein Päckchen zu tragen, wir haben unseres angenommen und sind, nach wie vor, ein gutes Team. Es ist noch ein weiter Weg, aber die Hoffnung auf ein gesünderes Leben haben wir noch nicht aufgegeben.
Die letzten beiden Jahre waren für uns als Familie absolut kontrovers. Auf der einen Seite Leid, auf der anderen Seite pure Freude und bedingungslose Liebe. Eine Achterbahn der Gefühle. Anders kann ich es nicht beschreiben. Diese Zeit war zugleich belastend, als auch wunderschön. Wir versuchen jeden Moment mit unserem Kind zu genießen, denn wir sind uns durchaus bewusst, was wir für ein Glück haben. Natürlich treibt er uns hin und wieder in den Wahnsinn – ich sage nur Autonomiephase – aber er ist auch derjenige der uns die meisten Lacher beschert. Er ist das Beste was uns passieren konnte und macht uns zu den stolzesten Eltern, die man sich nur vorstellen kann. Wir sind die Sorte Eltern, die Abends auf dem Sofa sitzen und sich Fotos von ihrem Kind anschauen oder minutenlang auf den Bildschirm vom Babyphone starren. Peinlich.
Ausgleich ist der Schlüssel zum Mutterglück!
Als das erste Jahr geschafft war, er laufen konnte und immer selbstständiger wurde, fiel mir alles zunehmend leichter.
Das Abstillen nach 16 Monaten und der Betreuungs-Start der Tagesmutter war ein absoluter Life-Changer. Seitdem kann ich das Muttersein noch viel intensiver genießen. Denn wenn ich eins gelernt habe:
Ausgleich ist der Schlüssel zum Mutterglück!
Eltern brauchen auch Pausen und alleine einkaufen fahren ist keine Pause! Wenn dieser Ausgleich auf der Strecke bleibt, merke ich sofort wie meine Stimmung kippt. Selbstreflexion und ein Gläschen Aperol Spritz können dabei helfen den Weg zurückzufinden.
Abschließend möchte ich gerne sagen: Es ist total okay hin und wieder überfordert zu sein. Das empfinden wir alle mal.
Egal ob Mutter oder Vater. Es ist wichtig, dass wir uns das eingestehen und um Hilfe bitten, in Momenten in denen wir an unsere Grenzen kommen. Mir persönlich hilft der Austausch mit anderen Eltern extrem. Und falls ihr die Möglichkeit habt, bezieht euren engsten Kreis mit ein. Ihr Mamas und Papas leistet täglich so viel, seid stolz auf euch. Kleiner Tipp zum Schluss: Sagt euch doch gegenseitig mal Danke!
3 Kommentare
Halllo Julia
Diesen Text zu lesen, tat gut. Denn das bestätigt, dass man mit solchen Problemen nicht allein auf der Welt ist, auch wenn das eigentlich klar sein dürfte. Aber es tut eben in dem Moment trotzdem gut! Und dabei kenne ich nicht mal die Perspektive einer Mutter.
Aber ich bin mit 34 Papa eines 9-monatigen Jungen, und teile viele dieser Leiden, die du geschildert hast.
Elternglück, Krankheit, Freundschaften, Selbstzweifel, „mitfühlende Schwangerschaft“, „Overthinking“,… alles war im letzten Jahr sehr nah beieinander.
Mir ging es zwischenzeitlich im Kopf richtig schlecht, bis ich auch zu Arzt ging. Den Schritt zu tun, den kann ich jedem raten. Gerade als Mann, es ist leider so, wartet man eher mehr als weniger, bis man sich Hilfe holt.
Weiterhin gutes Gelingen beim Mutter sein!
Hi, vielen Dank für deinen Kommentar. Mir tut es auch gut, zu wissen, dass man nicht alleine damit auf der Welt ist. Also, Danke für deine Offenheit. Ich wünsche dir und deiner kleinen Familie nur das Beste. 🙂
Gerne, und vielen Dank